Antifeminismus – rechte Gewalt gegen Frauen

Für die Rechte ist Frauenfeindlichkeit nicht nur ein Instrument, um Einfluss und Anhänger*innen zu gewinnen. Der Antifeminismus wird zunehmend zu einem zentralen Ideologieelement, indem er sich mit dem Rassismus, dem Sozialdarwinismus und dem Antisemitismus zu einem geschlossenen und hochgefährlichen Weltbild verbindet.

Kurze Geschichte des Antifeminismus

Die Aufklärung und die ihr nach der französischen Revolution folgende Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 erkennen die Gleichheit und die gleichen Rechte der Menschen an. Allerdings bleibt die Umsetzung dieser Deklaration – soweit sie überhaupt erfolgt – weitgehend auf den männlichen Teil der Gesellschaft beschränkt.

Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts beginnen Frauen, sich zusammenzuschließen und ihre Rechte einzufordern. Dabei lässt sich grob zwischen einer bürgerlichen und einer proletarischen Frauenbewegung unterscheiden. Die bürgerliche Frauenbewegung forderte vor allem Selbstbestimmung, gleiche Chancen, gleichen Zugang zu Bildung und Arbeit und gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie das Wahlrecht für Frauen. Die proletarische Frauenbewegung forderte eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebenssituation, insbesondere höhere Löhne, geringere Arbeitszeiten, Arbeitsschutz und bessere Wohnbedingungen sowie ein uneingeschränktes Wahlrecht für Frauen. Zugleich verstand sich die proletarische Frauenbewegung als Teil der Arbeiterbewegung und strebte die Überwindung des Kapitalismus an.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung bewirkt tiefgreifende Umbrüche in Produktion, Wissenschaft, Technik, Politik und Kultur, die immer mehr an Dynamik gewinnen. Diese Umbrüche eröffnen mehr Menschen die Chance, aus bisherigen Beschränkungen auszubrechen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Andererseits lösen sie auch Ängste aus, die zu starrem Festhalten am angeblich Bewährten und oft auch zu autoritären und gewaltsamen „Lösungen“ führen.

In diesem Kontext entsteht die Frauenbewegung und bekommt immer mehr Zulauf.

Ihre Forderungen stoßen allerdings bei weiten Teilen der wilhelminischen Gesellschaft auf Unverständnis und strikte Ablehnung. „Obrigkeit ist männlich; das ist ein Satz, der sich eigentlich von selbst versteht“ erklärt der Historiker Heinrich von Treitschke und bringt so das vorherrschende patriarchalische Selbstverständnis zum Ausdruck. Diesem Denken entspricht auch das Familienrecht von 1900, in dem eine patriarchale Familienstruktur sowie die Verfügungsmacht des Ehemannes über das Vermögen, die Arbeit und den Körper seiner Frau festgelegt wurde. (1)

Auf Initiative des völkisch-nationalistischen Alldeutschen Verbands gründet sich 1912 der „Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation“, der das dumpfe Unbehagen aufgreift und publizistisch zu untermauern sucht.

Die Ablehnung auch nur erster Schritte zu einer Gleichstellung der Frau gründet sich auf die Vorstellung einer „natürlichen Ordnung“, in der Männern und Frauen jeweils eigene Rollen zugewiesen sind: „Dem Mann der Staat, der Frau die Familie“. (2)

Die Forderung nach Gleichberechtigung der Frau wird in allen gesellschaftlichen Bereichen und sozialen Schichten als Angriff auf traditionelle Privilegien von Männern verstanden. Um diesen Angriff abzuwehren, wird immer wieder neben der „natürlichen Ordnung“ auch die „mindere geistige Begabung“ von Frauen geltend gemacht. So führt der Mediziner Paul Julius Möbius Messungen von Gehirnumfang und Gehirngewicht von Frauen durch, um im Streit um die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium „wissenschaftlich“ ihre intellektuelle Unterlegenheit und Bildungsunfähigkeit nachzuweisen. Seine Schrift zum „Physiologischen Schwachsinn des Weibes” findet weite Verbreitung und dient noch Jahrzehnte Antifeministen als Beleg der männlichen Überlegenheit. (3)

Der entstehende Antifeminismus ist vielfach verknüpft mit völkischen, nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Vorstellungen oder wird zu deren Einfallstor.

Völkisches Denken geht von einer Hierarchie der Völker aus, an deren Spitze das eigene Volk steht. Um diese Position zu erhalten, sind ein starker Staat, eine autoritäre Ordnung, eine klare Zuordnung von oben und unten und ein ethnisch homogenes Volk erforderlich. Keimzelle dieser Ordnung ist die patriarchalische Familie, die durch Kinderreichtum und patriotische Erziehung zu einem gesunden „Volkskörper“ beizutragen hat.
Der völkische Antifeminismus behauptet, höhere Bildung mache Frauen untauglich zur Mutterschaft. Deshalb wird der Geburtenrückgang nach 1900 vor allem der Frauenbewegung angelastet. Durch den wachsenden Nationalismus erhält die Geburtenrate einen zusätzlichen Stellenwert. Um sich als Großmacht zu behaupten und seine Ansprüche gegenüber anderen Staaten durchzusetzen, brauche Deutschland eine Bevölkerungsentwicklung, die es auch militärisch stark und überlegen mache.

In der Weimarer Republik werden antifeministische Vorstellungen immer mehr vom Antisemitismus durchsetzt. Die bürgerliche Frauenrechtsbewegung gilt weithin als Produkt der Moderne und des westlichen Liberalismus, die wiederum nach Überzeugung der völkischen und nationalistischen Rechten das deutsche Volk, dessen Kultur und die Familie als Keimzelle dieser Kultur zersetzen. Dieser Angriff auf die die deutsche Kultur und Identität wird dem „internationalen Judentum“ zugeschrieben, das im Hintergrund die Fäden zieht, die Völker durch Zersetzung schwächt und so seine Herrschaft über sie errichtet.

In der Weimarer Republik nimmt der Frauenhass immer wieder tödliche Dimensionen an. Opfer sind vor allem Spartakistinnen oder Frauen, die verdächtigt werden, dem Spartakusbund anzugehören oder mit ihm zu sympathisieren. Bei Rosa Luxemburg zeigt bereits das Vorgehen der mordenden Soldaten den Hass auf Kommunistinnen und Kommunisten, Jüdinnen und Juden und Frauen. Sie wird zunächst mit Gewehrkolben geschlagen, schon halbtot in ein Auto gezerrt, dann mit einem Kopfschuss getötet und danach wie Müll in den Landwehrkanal geworfen. Die als „rote Sympathisantin“ verdächtigte Sanitäterin Marie Kling wird im Gefängnis Stadelheim bei München nach der Niederschlagung der Räterepublik von Soldaten der Reichswehr als lebende Zielscheibe ermordet.

Der Nationalsozialismus greift den vorgefundenen Antifeminismus auf und spitzt ihn nochmals zu. Die patriarchalische Familie gilt als Kern der „Volksgemeinschaft“, die zugleich Blut-, Gesinnungs- und Kampfgemeinschaft ist. Zugleich schärfen NS-Propaganda und Politik das Rollenbild von Mann und Frau. Rolle und Ideal des Mannes ist die „soldatische Männlichkeit“, in der der „arische Herrenmensch“ zum Ausdruck kommt. Rolle und Ideal der Frau ist die Mutter, die erbgesunde und wehrhafte Kinder für Führer, Volk und Vaterland zur Welt bringt und so die Reinheit der Rasse und deren Überlegenheit über minderwertige Rassen gewährleistet. Diese Rollenverteilung und das damit verbundene Familienbild ist in die Perspektive eines „tausendjährigen Reiches“ eingebunden, das durch die Eroberung und Sicherung von „Lebensraum“ im Osten und durch die Versklavung, Vertreibung und Ermordung der dort lebenden Menschen entsteht. Die sozialdarwinistische Annahme eines unablässigen Kampfes ums Überleben stempelt jede Abweichung von diesem Familienbild und den vorgegebenen Geschlechterrollen zu einem Verbrechen an Volk und Staat, gegen das mit allen Mitteln vorgegangen werden kann. (4)

© Deutsches Historisches Museum
Eine Mutterkreuzträgerin mit ihrer Familie, 1940

Frauen- und Familienbild der NSDAP

Die Rolle, die der Frau im Nationalsozialismus zugedacht ist, zeigt das Mutterkreuz. Es wird Frauen feierlich verliehen, die mindestens vier Kinder zur Welt gebracht haben und so einen Beitrag für „Führer, Volk und Vaterland“ geleistet haben. Voraussetzung für das Mutterkreuz ist ein „Ariernachweis“. Als „fremdrassig“, „erbkrank“ und „asozial“ erachteten Familien wird die Ehrung nicht zuteil. Die älteren Kinder runden entsprechend der NS-Ideologie das Bild der deutschen Familie als Keimzelle der „Volksgemeinschaft“ in den Uniformen der Hitler-Jugend und des Bundes Deutscher Mädchen ab.

Vom dumpfen Vorurteil zum rechten Weltbild

Antifeministische Einstellungen und Strukturen sind auch heute noch weit verbreitet. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass häufig nicht gleicher Lohn für gleiche Arbeit bezahlt wird oder leitende Positionen noch immer eine Männerdomäne sind. Forderungen nach gleichen Rechten und gleicher Teilhabe von Frauen stoßen immer noch auf Unverständnis und Ablehnung. Diese Ablehnung ist zunehmend militant geworden und äußert sich in einem sexistischen Überlegenheitsanspruch, Häme, Beleidigungen, Demütigungen, Hetze, Hass und Gewalt.
Allein die Statistiken des Bundeskriminalamtes verdeutlichen die Dimension der Gewalt. Danach wurden 2019 rund 115.000 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Die Statistik erfasste folgende versuchte oder vollendete Gewalttaten:

  • Vorsätzliche, einfache Körperverletzung: 69.012 Fälle
  • Gefährliche Körperverletzung: 11.991 Fälle
  • Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.906 Fälle
  • Freiheitsberaubung: 1514 Fälle
  • Mord und Totschlag: 301 Fälle

Nicht eingeschlossen sind Fälle außerhäuslicher Gewalt. Zudem ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. (5)

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Demonstration am Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (25. November 2022, München) gegen Sexismus, Femizide und für Solidarität

Untersuchungen haben mehrere Gruppen von Männern identifiziert, die besonders häufig als Gewalttäter auffällig werden.

Eine erste Gruppe bilden Männer, die nach wie vor von der naturgegebenen Überlegenheit des Mannes über die Frau ausgehen und deshalb der Meinung sind, sich ihre „Rechte“ auch mit Druck, Mobbing und Gewalt nehmen zu können. Dies schließt das angebliche Recht auf sexuelle Verfügung über Frauen ein. Diese Gruppe begreift ihre Einstellung und ihr Vorgehen als normal und legitim und fühlt sich durch Argumente und Gesetze, die ihre „Freiheit“ beeinträchtigen, provoziert.

Eine zweite Gruppe sind Männerrechtler, die der Auffassung sind, dass mittlerweile Frauen Vorrechte gegenüber Männern haben und sich gegen die Übermacht der Frauen wehren wollen.

Eine dritte Gruppe besteht aus Männern, die sich von Frauen zurückgewiesen und gedemütigt fühlen und sich nun an den Frauen rächen wollen. Zu dieser Gruppe gehören Incels („unfreiwillig zölibatär Lebende“), die ihre Gewalt- und Rachegelüste in mehreren Massakern verwirklicht haben.
Diese Gewalttäter sind trotz ihrer antifeministischen Einstellungen nicht unbedingt Rechte; sie sehen sich selbst in ihrer großen Mehrheit als unpolitisch. Allerdings sind sie hoch anfällig für die Agitation der Rechten, die sich auf drei immer wiederkehrende Behauptungen stützt:

  • der Feminismus habe das Leitbild einer „soldatischen Mannhaftigkeit“ zerstört, den Mann dadurch verweichlicht und unfähig gemacht, sich in einer Welt von Feinden zu behaupten und so seine Familie und sein Volk zu schützen. Die Kehrseite der emanzipierten Frau seien also der domestizierte und seiner Identität beraubte Mann und zugleich das seinen Feinden schutzlos preisgegebene Volk;
  • die Weigerung von Feminist*innen, „reinrassige“ Kinder in hinreichender Zahl zu gebären, habe zu Masseneinwanderung und Überfremdung geführt und zugleich zur Vermischung des Blutes und der Kulturen beigetragen. Feminist*innen würden dadurch ihrem eigenen Volk die biologische Substanz rauben und den „großen Austausch“ begünstigen;
  • der Feminismus habe ebenso wie die Akzeptanz anderer sexueller Orientierungen oder die Einwanderung dazu geführt, dass Deutschland nicht mehr „normal“ sei. „Nicht mehr normal“ ist wie „entartet“ eine Begrifflichkeit, die abwertet und danach schreit, „Normalität“ entsprechend dem „gesunden Volksempfinden“ wiederherzustellen.

Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der dumpfe Antifeminismus von der Rechten genutzt, um ihre Vorstellungen zu popularisieren, Anhänger*innen zu gewinnen und zugleich Gewalt zu rechtfertigen. (6)

Für die Rechte ist Frauenfeindlichkeit nicht nur ein Instrument, um Einfluss und Anhänger*innen zu gewinnen. Der Antifeminismus wird zunehmend zu einem zentralen identitätsstiftenden Ideologieelement, indem er sich mit dem Rassismus, dem Sozialdarwinismus und dem Antisemitismus zu einem geschlossenen und hochgefährlichen Weltbild verbindet.

Grundlegend für den Antifeminismus der Rechten ist weiterhin die Vorstellung einer natürlichen hierarchischen Ordnung, in der es höher- und minderwertige Völker und Rassen und zugleich festgelegte Geschlechterrollen gibt, in denen der Mann dominiert. Diese Ordnung der „White Supremacy“ wird nach dem Verständnis der Rechten heute vor allem von der Masseneinwanderung, dem Aufbegehren nicht-weißer Bevölkerungsteile und dem Feminismus in Frage gestellt. Mit der Masseneinwanderung sei das Ziel eines Bevölkerungsaustausches verbunden, der die ehemals weiße Mehrheit zur unterdrückten Minderheit im eigenen Land machen solle. Der Feminismus habe den weißen Mann verweichlicht und verweiblicht und so das Widerstandspotential gegen die geplante Übernahme geschwächt. Er sei ebenso widernatürlich und zersetzend wie die Demokratie, der Egalitarismus und der Liberalismus. Dieser Prozess der Schwächung und Zersetzung der natürlichen Ordnung sei nicht naturwüchsig, sondern von „Eliten“ gesteuert. Auch wenn es nicht immer offen ausgesprochen wird, sind diese „Eliten“ ein Synonym für das „internationale Judentum“. Diese angebliche Bedrohung wird zu einer Überlebensfrage erklärt und daraus ein Recht auf „Notwehr“ abgeleitet, das häufig in Gewaltexzesse mündet.

Tödlicher Hass

Antifeminismus beginnt häufig mit Mobbing, das die Opfer einschüchtern und demütigen und zugleich potentielle Gewalttäter enthemmen und zu Gewalttaten ermuntern soll.

Ein Beispiel ist eine Online-Kampagne gegen die ehemalige Bundesministerin Renate Künast. Künast wird in mehreren Beiträgen als „Drecks Fotze”, „Schlampe”, „Sondermüll”, „Drecksau” oder „Geisteskranke” beleidigt. Bei einer Klage der Abgeordneten entscheidet das Berliner Landgericht, dass diese Beleidigungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien und Künast sie hinnehmen müsse. Das Berliner Kammergericht hebt einige Monate später die Entscheidung des Landgerichts auf, die bundesweit für Fassungslosigkeit und vehemente Kritik gesorgt hatte. (7)

Die Gleichsetzung politisch unbequemer Frauen mit Müll ist bei Rechten weit verbreitet. So erklärt der Spitzenkandidat der AfD für die Wahl zum Bundestag 2017, Alexander Gauland, bei einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld zur Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoguz unter dem begeisterten Beifall seiner Zuhörer:

Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können. (8)

Die Anwältin Seda Başay-Yıldız, die Kabarettistin Idil Baydar und die Abgeordnete Janine Wissler werden, wie eine Reihe anderer engagierter Frauen, wiederholt mit Schreiben bedroht und beleidigt, die die Unterschrift NSU 2.0tragen. Bei Seda Başay-Yıldız, Anwältin der Angehörigen im NSU-Prozess, wird die Morddrohung analog der nationalsozialistischen Sippenhaft auf Familienangehörige erweitert: „Als Vergeltung schlachten wir dein Kind ab“. Bald stellt sich heraus, dass die teilweise nicht öffentlich bekannten Adressen der bedrohten Frauen von Computern der hessischen Polizei abgerufen und weitergegeben wurden.

Mehr dazu im Thema: Was ist, wenn Hilfe ausbleibt

Der Hass trifft nicht nur politisch engagierte Frauen. Oft genügt es, in vermeintliche Männerdomänen einzudringen. Als die Sportreporterin Claudia Neumann sich erdreistet, ein Fußballspiel von Männern zu kommentieren, wird sie mit Beleidigungen, Häme und Bedrohungen überschüttet. „Hat die überhaupt eine Erlaubnis, sich fernab der Küche aufzuhalten?“ ist einer der unsäglichen, jedoch im Verhältnis zu anderen Hasstiraden noch harmlosen Kommentare.

Mobbing, Beleidigungen, Hetze und Hass gibt es in allen sozialen Schichten. Sie treffen öffentlich bekannte Frauen ebenso wie unbekannte. Befragungen ergeben, dass mehr als die Hälfte der europäischen Frauen am Arbeitsplatz sexuell belästigt und jede fünfte Frau in Europa Opfer von Internet-Mobbing wurde. (9)

Immer wieder geht der verbal geschürte Hass in Gewalt über. Unter den Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 befinden sich mindestens 36 Frauen und Mädchen.

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Häufig fehlt geflüchteten Frauen hinreichender Schutz.

Die aus Kenia stammende Rita Awour Ojunge wurde in der Nähe eines Flüchtlingsheims in Brandenburg ermordet aufgefunden. Die Initiative „Women in Exile“ kritisiert die unzulänglichen Ermittlungen und fordert die Auflösung des Lagers in Hohenleipisch.

Stets liegt der Gewalt gegen Frauen ein Bündel von Motiven zugrunde, unter denen der Frauenhass nicht immer offensichtlich ist. Dies trägt dazu bei, dass die Bedeutung des Antifeminismus oft unterbewertet oder übersehen wird. Tatsächlich spielt der Frauenhass bei einer Reihe von Morden eine tragende oder zumindest eskalierende Rolle. Dies verdeutlichen einige Beispiele:

Am 10. Oktober 1992 wird in Geierswalde bei Hoyerswerda die Kellnerin Waltraud Scheffler von einem Neonazi beim Überfall auf ein Lokal mit einer Zaunlatte erschlagen. Die Kellnerin hatte versucht, auf die gewaltsam eindringende Gruppe beruhigend einzuwirken. Der Täter, der die Frau „einfach so“ erschlagen hat, geht danach nach Hause und schläft sich aus. Er liegt noch im Bett, als er am nächsten Tag festgenommen wird. Bedauern über den Tod der Frau zeigt er nicht. Sie ist für ihn eine „Schlampe“.

Am 3. Februar 1996 ermordet der mit Haftbefehl gesuchte Neonazi Thomas Lemke die 23-jährige Patricia Wright mit 91 Messerstichen. Er dringt vorher in ihre Wohnung ein, fesselt und vergewaltigt die Frau. Seine Tat begründet er damit, dass „Linke kein Recht auf Leben“ haben. Die Vergewaltigung verdeutlicht seinen Frauenhass, den er schon 1995 mit einem brutalen Mord an Dagmar Kohlmann ausgelebt hat.

Die 14-jährige Jana G. wird 1998 in Saalfeld/ Thüringen von einem 15-jährigen Neonazi erstochen. Jana G. und der Täter besuchten dieselbe Schule. Jana wies einige Monate vorher einen Annäherungsversuch des Täters zurück, weil sie mit „Faschos“ nichts zu tun haben wolle. Dem Mord lag eine Mischung aus gekränkter Männlichkeit und Hass auf Linke, zu denen der Täter Jana rechnete, zugrunde. Der Täter fühlte sich nach seinen Aussagen im Prozess dazu berechtigt, die „Zeckenschlampe“ umzubringen, weil sie sich ihm als Mann gegenüber nicht unterwürfig und demütig gezeigt habe.

2009 wird die schwangere 31-jährige Marwa El-Sherbini während einer Gerichtsverhandlung in Dresden von einem Neonazi erstochen. Anlass der Verhandlung war ein Vorfall auf einem Kinderspielplatz: der Täter hatte auf die Bitte von Marwa El-Sherbini, die Schaukel doch auch einmal ihrem zweijährigen Sohn zu überlassen, mit rassistischen und sexistischen Beleidigungen und einer Morddrohung gegen das Kind reagiert. El-Sherbini setzte sich daraufhin juristisch zur Wehr. Der Täter verhielt sich in mehreren Gerichtsterminen weiterhin hoch aggressiv und beleidigend. Trotz dieses Verhaltens und entgegen der wiederholten Bitte des späteren Opfers um Schutz konnte er im Gerichtssaal ein Messer mit einer 18 cm langen Klinge mit sich führen, mit dem er die Schwangere tötete.

Während der Attentäter von Halle versucht, die verschlossene Tür der Synagoge zu sprengen, wird er von der zufällig vorbeikommenden Jana L. auf sein Verhalten angesprochen. Er erschießt die Frau ohne zu zögern. Diese Tat ist kein Zufall. Er hat zuvor in einem online veröffentlichten „Manifest“ sein zutiefst rassistisches, antisemitisches und frauenfeindliches Weltbild vorgestellt und wiederholt dies während des Anschlags in einem Live gestreamten Video. (10)

Frauen als Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland (11)

Die Holocaust-Überlebende Blanka Zmigrod wurde 1992 von einem schwedischen Rechtsterroristen in Frankfurt erschossen.

Die Kellnerin Waltraud Scheffler wurde 1992 bei einem Überfall von Neonazis auf ein Lokal in Geierswalde (Sachsen) mit einer Holzlatte erschlagen, weil sie schlichten wollte.

Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayse Yilmaz starben 1992 in Mölln nach einem Brandanschlag.

Bei einem Brandanschlag in Lampertsheim (Hessen) ersticken Zeenathul Nelofa Mohideen, ihr Mann und ihr 13 Monate altes Baby.

Gürsin Ince, Hülya Genc, Hatice Genc, Gülüsten Öztürk und Saime Genc sterben 1993 beim Brandanschlag auf das Haus der Familie in Solingen.

Beate Fischer wird 1994 in Berlin aus sexistischen Gründen von drei Neonazis erwürgt.

Dagmar Kohlmann wird in 1995 in Altena/Westfalen von dem Neonazi Thomas Lemke erschlagen.

Monica Maiamba Bunca, Christine Makodila, Nzusana Bunga Christelle Makodila Bunga, Rabia El Omari; Francoise Makodila Landu und Mija Makodila erliegen 1996 ihren Verletzungen bei einem neonazistischen Brandanschlag in Lübeck.

Patricia Wright wird 1996 in Bergisch-Gladbach von dem Mehrfachmörder Thomas Lemke vergewaltigt und erstochen, weil „Linke kein Recht auf Leben haben“.

Die 14-jährige Jana G. wird 1998 in Saalfeld/Thüringen erstochen, weil sie den späteren Mörder als Fascho bezeichnet und nichts mit ihm zu tun haben will. Deshalb fühlte er sich berechtigt, die „Zeckenschlampe“ umzubringen.

1999 erschießt ein 16-jähriger Hitlerverehrer in Bad Reichenhall (Bayern) vier Menschen, darunter seine Schwester Daniela Peyerl und Ruth Zillenbiller. Er verletzt sechs weitere Menschen schwer.

Die Polizistin Yvonne Hachtkemper wird 2000 zusammen mit zwei weiteren Polizisten von einem Rechtsextremisten bei einer Routinekontrolle in Dortmund erschossen.

2001 ersticht und beraubt ein Neonazi in Fulda Doris Botts in ihrem Geschäft. Der Mord war ein Aufnahmeritual für die Neonazigruppe „Deutsche Heidenfront“.

2003 ermordet ein Ex-Söldner in Overath (NRW) Mechthild Bucksteeg und Alja Nickel. Der Täter rechtfertigt den Mord als eine „Maßnahme zur Gesundung des deutschen Volkes“.

2007 wird die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn ermordet – das letzte bekannte Todesopfer des NSU.
2009 wird Marva El-Sherbini in Dresden im Gerichtssaal während einer Verhandlung von dem angeklagten Neonazi beleidigt, bedroht und schließlich erstochen.

Sabina Sulaj, Armela Segashi und Sevda Dag wurden 2016 zusammen mit sechs weiteren Menschen beim Massaker im Münchner Olympiazentrum erschossen.

Die 85-jährige Ruth K. wurde 2017 im sächsischen Döblin Opfer eines Brandanschlags, der wahrscheinlich den im selben Haus wohnenden Asylbewerbern gegolten hat.

Jana L. wird 2019 beim Anschlag auf die Synagoge in Halle von dem Attentäter getötet.

Mercedes Kierpacz wird 2020 eines der neun Opfer der rassistischen Morde von Hanau.

Frauenhass und Rechtsterrorismus

Der Frauenhass und die von ihm ausgehende rechte Gewalt haben längst nationale Grenzen überschritten. Sie sind mehr und mehr in terroristische Formen der Gewalt übergegangen. Unterstützt und beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Verbreitung von Hass und Hetze, die das Internet ermöglicht.

Eine zentrale Rolle bei der Entwicklung rechtsterroristischer Strukturen spielt die Zuspitzung der Theorie der „White Supremacy“ zu einem „Rassenkrieg“. Danach wird die natürliche Vorherrschaft der „weißen Rasse“ durch „minderwertige Rassen“ bedroht, die den „höherwertigen“ Weißen zahlenmäßig weit überlegen seien. Diese „minderwertigen Rassen“ seien in das Terrain der „weißen Rasse“ eingedrungen und hätten begonnen, sich mit ihr zu vermischen. Die „Lösung“ seien ethnisch reine und gesäuberte Staaten der „weißen Rasse“. Dabei sei ein „Rassenkrieg“ unvermeidlich, der auch durch terroristische Aktionen herbeizuführen sei.

In diesem Szenario spielt der Antifeminismus eine zentrale Rolle. Frauen, die sich ihrer „natürlichen Rolle“ verweigerten, hätten den weißen Mann verweichlicht und seine „Mann- und Wehrhaftigkeit“ zerstört, durch „Geburtenverweigerung“ zur numerischen Unterlegenheit der „weißen Rasse“ beigetragen und zudem sich vielfach mit Angehörigen fremder Rassen vermischt.

Aus diesem zugespitzten Feindbild erwachsen immer wieder terroristische Massaker. Vorbild der Attentäter ist der Norweger Anders Breivik, der 2011 bei Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utoya 77 Menschen tötet. Breivik begründet die Morde in einem rassistischen und antifeministischen Pamphlet, das er vor der Tat an mehrere hundert Email-Adressen verschickt. Er nutzt auch den Prozess, um seine rechte Weltsicht zu verbreiten.
2014 ermordet der Terrorist Elliot Rodgers in Isla Vista in Kalifornien sechs Menschen, verletzt vierzehn weitere Menschen und tötet sich anschließend selbst. Er hinterlässt ein Video, aus dem ein abgrundtiefer Frauenhass hervorgeht. Elliott wird zum Helden rechter Incels, also von Männern, die der Meinung sind, sie hätten ein Recht auf Sex mit Frauen und die einen tödlichen Hass entwickeln, wenn ihnen dieses angebliche Recht verweigert wird.

Rodgers wird zum Vorbild. 2018 versucht ein Incel-Terrorist in Toronto, mit einem Lieferwagen möglichst viele Frauen zu überfahren. Er tötet dabei 10 Menschen und verletzt weitere 16 teilweise schwer. Ein weiterer Mord durch einen 17-jährigen Incel ereignet sich 2020 erneut in Toronto.

Rechtsterroristen und „Incels“ hinterlassen immer wieder „Manifeste“ oder streamen Live-Aufnahmen ihrer Attentate per Video, um ein Millionenpublikum zu erreichen und überall auf der Welt Nachahmer zu finden. Die Taten werden in der rechtsextremen Szene glorifiziert. Breivik und Rodgers werden als Helden verehrt. Immer wieder beziehen sich Attentäter auf ihre Vorgänger. So wurden die Attentäter von Utoya, Isla Vista, Toronto und Christchurch zu Vorbildern der Mörder von München, Halle und Hanau. (12)

Mehr zum Rechtsterrorismus unter: Die Strategie der Gewalt; dort findet sich auch eine Chronik rechtsterroristischer Anschläge seit 2011

Weitere Empfehlung:
Karolin Schwarz: Hasskrieger – der globale Rechtsterrorismus, Freiburg 2020

Quellen, Hinweise und weitere Informationen

(1) Heinrich von Treitschke ist zitiert nach: https://www.bpb.de/apuz/267946/hedwig-dohms-die-antifeministen?p=4

Der Paragraph 1354 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900 beschreibt das Verhältnis zwischen Mann und Frau in Rechtsfragen so:
„Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu”.

Der Paragraph 1354 überstand das Kaiserreich, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und auch die ersten Jahre der Bundesrepublik Deutschland. Erst 1957 wurde er in einer knappen Entscheidung des Deutschen Bundestages aufgehoben.

(2) dazu mehr: https://www.gender-blog.de/beitrag/antifeminismus-deutschland-kontinuitaeten-brueche

(3) siehe dazu: https://www.bpb.de/apuz/267946/hedwig-dohms-die-antifeministen?p=4

(4) zum Zusammenhang von Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus siehe: https://www.gender-blog.de/beitrag/antifeminismus-deutschland-kontinuitaeten-brueche, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/zum-verhaeltnis-von-antisemitismus-und-antifeminismus-69135/

(5) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/haeusliche-gewalt-80642

(6) Eine sehr gute Zusammenfassung zur rechten Gewalt gegen Frauen gibt das Video: https://www.bpb.de/mediathek/311774/girls-i-will-destroy-you

(7) Dazu u.a.: https://www.tagesspiegel.de/berlin/onlinehetze-vor-gericht-renate-kuenast-gewinnt-erneut-in-hate-speech-verfahren/25677150.html

(8) https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-spitzenkandidat-gauland-will-integrationsbeauftragte-oezoguz-in-anatolien-entsorgen/20244934.html

(9) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/haeusliche-gewalt-80642

(10) Mehr zu allen genannten Fällen findet sich bei: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/

(11) Mehr zu allen in der Liste befindlichen Frauen: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/

(12) Eine Chronik zu den Anschlägen und weitere Informationen finden sich in: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/02/Broschu%CC%88re-Rechtsterroristische-Online-Subkulturen_pdf.pdf

 

Fotonachweise:

Eine Mutterkreuzträgerin mit ihrer Familie, 1940: © Deutsches Historisches Museum, https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/ba107470

Demonstration am Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen: IMAGO / aal.photo, https://www.imago-images.de/

Häufig fehlt geflüchteten Frauen hinreichender Schutz. Die aus Kenia stammende Rita Awour Ojunge wurde in der Nähe eines Flüchtlingsheims in Brandenburg ermordet aufgefunden: IMAGO / Martin Müller, https://www.imago-images.de/