„Ich könnte euch verschiedenes erzählen, was nicht in euren Lesebüchern steht. Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen, sind immer die, um die sich alles dreht.“
Erich Kästner

Warum diese Online-Ausstellung?

Rechte Gewalt ist ein Jahrhundertproblem. Diese Online-Ausstellung beschreibt die Entwicklung rechter Gewalt von 1918 bis heute und die mit ihr verbundenen Verbrechen. Sie zeigt deren Kontinuität und Hintergründe und damit zugleich die Wurzeln heutiger Hetze und Gewalttaten. Sie soll dabei helfen, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und rechter Agitation mit Fakten und Argumenten zu begegnen.

Unsere Ausstellung zeigt die Entwicklung, die konkreten Formen und Folgen rechter Gewalt in unserer Region. Sie soll damit Geschichte vor Ort erfahrbar machen, sensibilisieren und zu demokratischem Engagement ermutigen.

Wer wir sind

Diese Ausstellung wurde im Rahmen von „misch mit! Miteinander Vielfalt (er)leben“ erarbeitet.

„misch mit!“ ist eine sogenannte „Partnerschaft für Demokratie“ im Landkreis Marburg-Biedenkopf und wird durch das Förderprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Kreisausschuss Marburg-Biedenkopf gefördert.

                              

Im Landkreis Marburg-Biedenkopf wird „misch mit!“ durch die Kooperation zwischen dem bsj Marburg und dem Büro für Integration des Landkreises realisiert. Der bsj Marburg (Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugendsozialarbeit e.V.) ist ein 1986 gegründeter anerkannter freier Träger der Jugendhilfe, der Körper und Bewegung zum Ausgangspunkt seiner sozialen Arbeit macht. In der Praxis richten sich die Angebote des bsj Marburg vor allem an Kinder und Jugendliche in prekären Lebenslagen. Gemeinsam mit ihnen größtmögliche Zugänge zu Partizipation, Inklusion und Teilhabe zu eröffnen, sind wichtige Querschnittsthemen des Vereins. Der bsj Marburg verfolgt diese Ziele in dem o.g. Modellvorhaben „misch mit!“ ebenso wie in der außerschulischen Jugendbildung, Schulsozialarbeit oder Offenen Kinder- und Jugendarbeit.

Ein Großteil der Texte dieser Ausstellung beruht auf ehrenamtlichem Engagement von Expert:innen im Themenfeld. Besonders bei den Texten, die den Zeitraum von 1918 bis 1945 betreffen, konnten wir uns vielfach auf die Recherchen, die inhaltliche Begleitung und Beratung durch die Geschichtswerkstatt Marburg stützen. „misch mit!“ bedankt sich ganz herzlich für die Expertisen und die enorme Ausdauer der Engagierten, ohne die, dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre.

Für Fragen, Hinweise und Rückmeldungen, die diese Ausstellung betreffen, stehen wir Ihnen gerne unter info@rechte-gewalt.org zur Verfügung.

Was wir mit dieser Ausstellung erreichen wollen

Mit dieser Ausstellung wollen wir einen Beitrag dafür leisten, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus oder Rechtsradikalismus entgegenzutreten. Dazu haben wir eine Reihe regional- und landesgeschichtlicher Biografien und Ereignisse recherchiert und in den Kontext der allgemeinen Entwicklung rechter Gewalt in Deutschland gestellt. Wichtig war uns, der vielfach verbreiteten Theorie vom psychisch gestörten Einzeltäter zu widersprechen, indem wir die Zusammenhänge und Hintergründe der einzelnen Taten aufzeigen. Dabei zeigt sich rechte Gewalt als Jahrhundertproblem, das seit 1918 in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen und wechselnder Intensität auftritt und doch weitgehend gleiche Grundlagen hat.

Um menschenverachtende Ideologien nicht zu verharmlosen, haben wir diese zum Teil zitiert und nicht umschrieben. Dadurch findet sich an einigen Stellen der Ausstellung eine drastische Sprache in Zitaten wieder. Ebenso verhält es sich mit den Bildern in der Ausstellung.

Wir verstehen die Arbeit an der Ausstellung als Teil demokratischen zivilgesellschaftlichen Engagements. Sie soll helfen, rechter Gewalt zu begegnen, indem sie historisches Wissen aktualisiert, Erfahrungen vermittelt und Argumente anbietet.

Dabei wollen wir auch die Frage beantworten, weshalb trotz der Negativerfahrungen zweier verheerender Kriege und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und umgekehrt entgegen der Positiverfahrung einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassungsordnung rechte Demagogie immer noch wirksam ist und gewaltbereite Anhänger findet.

Diese Online-Ausstellung ist mit ihrem Erscheinen nicht abgeschlossen. Sie soll vielmehr regelmäßig aktualisiert und thematisch erweitert werden.

Wir haben für diese Ausstellung intensiv recherchiert, stets mehrere Quellen herangezogen und immer wieder engagierte Menschen um ihre Expertise gebeten. Wir freuen uns, wenn es uns gelungen ist, eine fundierte, sachlich und argumentativ überzeugende und zugleich für demokratische Aktivitäten hilfreiche Ausstellung zu erarbeiten.

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“Wer (…) von Remigration spricht, meint die Austreibung von angeblich Nichtdeutschen und Undeutschen. Diese aber sind unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen, Nachbarn, Kollegen, Bekannten, Freunde, unsere Familienangehörigen – wir selbst. Lernen wir aus unserer Geschichte, setzen wir uns solidarisch ein für Gleichheit und Menschenwürde.”
Michael Heiny, Geschichtswerkstatt Marburg, auf der Kundgebung Marburg gegen Rechts am 27.1.2024

Hass und Gewalt für den Tag X

Die Idee zu dieser Ausstellung entstand nach den rassistischen Morden in Hanau. Diesen Morden sind die Anschläge von Halle und Wächtersbach und der Mord an Walter Lübcke vorausgegangen. Seit 1990 gibt es in Deutschland mindestens 200 Todesopfer rechter Gewalt. Täglich werden Menschen rassistisch beleidigt, gemobbt und angegriffen. Die Hasskriminalität im Internet nimmt beständig zu.
Gleichzeitig wird bekannt, dass sich rechte Extremist*innen und Terrorist*innen vernetzen und bewaffnen, Todeslisten politischer Gegner*innen erstellen und sich auf den Tag X vorbereiten. Immer wieder geraten Angehörige der Sicherheitsorgane ins Zwielicht: etwa Polizist*innen, die sich an Nazi-Chats beteiligen oder KSK-Elitesoldaten, die rechtsradikale Strukturen bilden.

Und immer wieder werden von weiten Teilen der Politik und der Gesellschaft die Gefahren verharmlost und die Vorfälle bagatellisiert, wird nach mehreren hundert Morden und tausenden Anschlägen immer noch von „bedauerlichen Einzelfällen“ gesprochen. Durch rechte Gewalt bedrohte Menschen fühlen sich von der Politik und den Sicherheitsbehörden alleine gelassen, Angehörige und Anwält*innen von Opfern beklagen mangelnden Aufklärungswillen.

Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte gibt es allen Grund, die Gefahren ernst zu nehmen und ihnen rechtzeitig und entschieden zu begegnen. Die Ausstellung zeichnet die Blutspur nach, die rechte Gewalt seit 1918 hinterlassen hat. Sie zeigt das Ausmaß der Verbrechen und die Bandbreite der Gewalttaten, die jede*n treffen können, ebenso wie die Feindbilder, die hinter den Taten stecken.

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Rechte Hetze und antisemitische Propaganda in der Weimarer Republik

Die Karikatur zeigt den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann, der dem kämpfenden Heer den Dolch in den Rücken stößt. Hinter Scheidemann sind geldzählende Juden als vermeintliche Drahtzieher dargestellt.

Rechte Gewalt beginnt im Kopf. Den Gewalttaten und Morden gehen fast immer Diffamierung, Ausgrenzung, Demütigung und Entwürdigung der Opfer und zugleich der Verlust an humanem Denken und Werten sowie eine Abstumpfung in weiten Teilen der Gesellschaft voraus.

Rechte Gewalt hat verschiedene Entwicklungsstadien. Sie steigert sich und geht in offenen Terror über, wenn sie öffentliche Unterstützung findet und der Widerspruch zu schwach bleibt. Deshalb ist es wichtig, genau hinzusehen, rechtzeitig zu widersprechen, sich mit den Opfern zu solidarisieren und so den Anfängen zu wehren.
Die Ausstellung zeigt nicht nur die Gewalttaten, sondern auch den Weg in die Gewalt, dessen Grundmuster in den letzten 100 Jahren weitgehend gleichgeblieben sind. Wir wollen damit helfen, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen wirksam zu begegnen.

Mit dieser Ausstellung wollen wir den Opfern ein Gesicht geben. Wir wollen aber auch Menschen zeigen, die sich rechter Gewalt entgegengestellt haben. Der Weg in eine Spirale rechter Gewalt ist nicht unvermeidlich und unaufhaltsam. Jede*r kann helfen und sich engagieren. Dieses Engagement will die Ausstellung mit Fakten und Argumenten unterstützen.

Es geht darum, rechter Gewalt und den ihr zugrundeliegenden Ideologien und Feindbildern öffentliche Unterstützung zu entziehen. Dazu braucht man klare und eindeutige Grenzen, zugleich aber die Perspektive einer Gesellschaft, die sich eindeutig zu den Grund- und Menschenrechten bekennt, Schutz und Beteiligung für alle bietet und Respekt mit Weltoffenheit verbindet.

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© IMAGO / xK M Krause

Gedenkdemonstration anlässlich des ersten Jahrestages des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau in Berlin

 

Rechte Gewalt – ein Jahrhundertproblem

Rechte Gewalt hat unterschiedliche Erscheinungsformen. Sie reicht vom Wüten der Freicorps nach 1918, den Provokationsmorden der Organisation Consul, dem NS-Staatsterrorismus, den Vernichtungslagern, den Gewaltexzessen nach 1990 bis zu den Morden, die durch Hass und Hetze im Internet ausgelöst wurden. Bei aller Unterschiedlichkeit der Gewalttaten ist das ihnen zugrundeliegende Denken in den letzten 100 Jahren weitgehend gleich geblieben.

Die Grundlage rechten Denkens ist die Vorstellung der ungleichen Wertigkeit der Menschen. Danach gibt es höher- und minderwertige Menschen, die eine unterschiedliche Existenzberechtigung und unterschiedliche Rechte haben. Der höhere oder geringere Wert von Menschen ergibt sich im rechten Denken vor allem aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, die etwa durch die Hautfarbe, die Nation, die Herkunft oder die politische Meinung bestimmt wird. Eine Zuspitzung dieses Denkens ist die Aufteilung der Menschheit in „Herrenmenschen“ und „Untermenschen“. Rechte Gewalt entsteht aus dem Anspruch, rechtes Denken und die Privilegien angeblich höherwertiger Menschengruppen durch Drohungen, Demütigungen, Gewaltakte und Morde durchzusetzen.

© Deutsches Historisches Museum

Wahlplakat der SPD 1932/33. Jede*r hätte wissen können, was kommen würde.

Die zweite Grundlage rechten Denkens, die zugleich den Übergang zum Faschismus markiert, ist der Vernichtungswille. Der Vernichtungswille ergibt sich aus der Vorstellung eines immerwährenden „Kampfes ums Dasein“, in dem nur der Stärkere überlebt und der Schwächere untergeht. Um im Kampf ums Dasein zu bestehen, müssen sich nach dieser Ideologie die Völker um einen Führer scharen und ihm bedingungslos folgen, ihr „Blut reinhalten“, ihre Feinde erbarmungslos vernichten und zugleich auch im eigenen „Volkskörper“ alles Schwache, Kranke, Andersartige und Andersdenkende ausmerzen.

Die Vorstellung der Ungleichwertigkeit der Menschen und der sozialdarwinistisch begründete Vernichtungswille sind im militant rechten Denken immer vorhanden. Ob und in welcher Weise der Vernichtungswille in Taten umgesetzt wird, ist keine Frage des Prinzips, sondern der Umstände. Aus Worten werden dann Gewalttaten, wenn – wie es Adolf Hitler formuliert hat – die Verhetzung der Bevölkerung oder Teilen davon einen Punkt erreicht hat, an dem „die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien beginnt“. (1) Dann allerdings geht, wie die Verbrechen des Nationalsozialismus zeigen, die enthemmte rechte Gewalt rasch in eine systematische Praxis der Vernichtung über.

Rechtes Denken zeigt sich in einer Vielzahl von Einstellungen und Ausdrucksformen. Nationalistisches Denken hält die eigene Nation für überlegen und billigt ihr und ihren Angehörigen Werte und Rechte zu, die anderen Nationen abgesprochen und verwehrt werden. Der Chauvinismus wertet andere Nationen und deren Angehörige ab. Militaristisches Denken äußert sich in der Auffassung, Konflikte durch Drohung mit und Anwendung von Gewalt lösen zu können. Die dazu erforderliche Aufrüstung ist begleitet von einer inneren Militarisierung, also der Ausrichtung der Gesellschaft an militärischen Denk- und Verhaltensweisen. Völkisches Denken erweitert den Nationalismus um die Kategorie des gemeinsamen Blutes, das die Angehörigen eines Volkes angeblich eint und ihnen besondere Volkseigenschaften gibt und umgekehrt andere aus der „Volksgemeinschaft“ ausschließt.

Aus dem völkischen Denken erwächst das Ziel der Homogenität. Die angestrebte Homogenität umfasst nicht nur die ethnische Homogenität, also die gleiche Abstammung aller Bewohner*innen. Sie beinhaltet auch die politische, soziale und kulturelle Homogenität und damit die Erwartung, dass sich alle „Volksgenossen“ als Teil der „Volksgemeinschaft“ sehen und die Ziele der nationalen Führung zu ihren eigenen machen.
Verbunden mit dem völkischen Denken ist ebenfalls das Ziel einer autoritären, hierarchisch gegliederten Gesellschaft, in der die Menschen aus innerer Überzeugung die für sie vorgesehene Rolle innerhalb einer „natürlichen Ordnung“ einnehmen. Die „natürliche Rolle“ der Frau ist dabei, erbgesunde Kinder zu gebären und so die Existenz eines „rassisch reinen“ und starken Volkes zu sichern.

Aus dieser Haltung ergibt sich die Ablehnung von Vielfalt, Liberalität und Rechtsstaatlichkeit. Rechtes Denken will keine Demokratie, sondern die Führung durch Eliten. Rechtes Denken will einen starken Staat, der nicht durch Grund- und Bürgerrechte eingeschränkt ist. Es will autoritäre Führung und keinen „zersetzenden“ Liberalismus. Rechtes Denken will keine multiethnischen Gesellschaften und keine kulturelle Vielfalt, sondern die „Reinheit des Blutes“ und eine völkisch ausgerichtete Kultur. Und vor allem will rechtes Denken keinen Egalitarismus, der den „natürlichen“ Unterschieden und Hierarchien zwischen Kapital und Arbeit, reich und arm, Mann und Frau, weißer und nicht-weißer Menschen widerspricht. Rechtes Denken setzt das Streben nach Vorherrschaft und den „naturgegebenen Kampf ums Überleben“ an die Stelle friedlichen Zusammenlebens und menschlicher Solidarität. Rechtes Denken will zurück hinter die Aufklärung und die Postulate der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und der Selbstbestimmung der Menschen und stellt deshalb einen Zivilisationsbruch dar, dessen schreckliche Konsequenzen sich in Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern gezeigt haben.

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© Deutsches Historisches Museum

Die Konsequenz des Vernichtungsdenkens: “Selektion” ungarischer Juden und Jüdinnen an der Rampe von Auschwitz. Entschieden wird, wer sofort in den Gaskammern ermordet wird und wer der „Vernichtung durch Arbeit“ zugeführt wird.

Rechte Gewalt ist stets mit der Idee verbunden, die „Volksgemeinschaft“ von „Schädlingen“ zu befreien, die in sie eingedrungen sind und sie schwächen und zerstören. Solche „zersetzenden“ Elemente seien politische Gegner*innen, Anhänger*innen „artfremder“ Kulturen, Jüd*innen, Migrant*innen und Geflüchtete, People of Colour, Feminist*innen, Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, aber auch kranke, obdachlose und behinderte Menschen. Diese Opfergruppen sind in den letzten hundert Jahren weitgehend gleich geblieben. Es sind in der Regel stigmatisierte Minderheiten, gegen die sich die Ressentiments der Mehrheit mobilisieren lassen. Und immer wieder fallen große Teile der Bevölkerung darauf herein und lassen sich von antidemokratischen und menschenfeindlichen Ressentiments verführen, die sich letztlich gegen sie selbst wenden.

Dabei sollte die Geschichte gezeigt haben, dass der mit stigmatisierten Minderheiten begonnene Abbau des Rechtsstaates zu einer allgemeinen Willkür und Entrechtung führt, die sich potentiell gegen alle Bürger*innen richtet. Die gegenwärtigen globalen Probleme der Menschheit – etwa der Klimawandel, die atomare Aufrüstung, die wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, die weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen – lassen sich nicht auf Sündenböcke abwälzen und durch die Mobilisierung von Feindbildern und nationalistischen Denkstrukturen bewältigen. Im Gegenteil führt eine derartige Realitätsverweigerung dazu, dass die Probleme weiter anwachsen und zum Schaden Aller letztlich nicht mehr lösbar sind.

Rechtes Denken und rechte Gewalt sind mehr und mehr internationalisiert. Sie setzen darauf, durch symbolische Gewaltexzesse wirkmächtige Bilder zu schaffen und Geschichten zu erzählen, die Gewalt legitimieren, enthemmen und Nachahmer*innen finden. Solche Exzesse, deren Bilder um die Welt gingen, sind zum Beispiel die Morde durch den Rechtsterroristen Anders Breivik oder das Christchurch Attentat. Eine ähnlich symbolkräftige Wirkung haben die Bilder vom Sturm auf das Kapitol. Verbunden mit diesen Bildern ist stets eine Erzählung, die die Gewalt als „Notwehr“ gegen eine existentielle Bedrohung, ein gravierendes Unrecht oder eine „Verschwörung“ rechtfertigt.

Dennoch ist rechte Gewalt keine abstrakte und ferne Erscheinung. Sie beginnt in den Orten und in Regionen, in denen wir leben, bildet „Kameradschaften“, Netze und Strukturen, die sich verdichten, ausbreiten und zum überall präsenten Unterbau rechter Drohungen, Einschüchterung und Gewalt werden. Die Gewalt steht häufig am Ende eines Prozesses, der mit der Propagierung enthemmender und legitimierender Feindbilder beginnt und die Täter glauben lässt, im Sinne einer „Volksgemeinschaft“ oder einer „schweigenden Mehrheit“ zu handeln. Deshalb war es uns wichtig, immer wieder Beispiele und Ereignisse auf lokaler und regionaler Ebene darzustellen und ihre Verbindung zu Vorgängen und Entwicklungen auf nationaler Ebene aufzuzeigen.

Um die regionalen Bezüge hervorzuheben und ihr Auffinden zu erleichtern, sind Texte und Zwischenüberschriften, die sich auf Ereignisse und Personen in Hessen beziehen, farblich abgesetzt und in türkiser Schriftfarbe gehalten.

Der Gegenentwurf zu rechtem Denken und rechter Gewalt ist im Artikel 1 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 zusammengefasst. An die Stelle der rassistischen Behauptung von höher- und minderwertigen Menschen tritt die Aussage:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Und an die Stelle der sozialdarwinistischen Theorie vom unaufhörlichen Kampf ums Dasein und der biologisch determinierten ewigen Feindschaft zwischen den Menschen tritt die Idee der menschlichen Solidarität:

Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

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Germanisches Nationalmuseum, „Straße der Menschenrechte“ in Nürnberg

Ein Kunstwerk des israelischen Bildhauers Dani Karavan. Die Säulen tragen als Inschriften jeweils einen Auszug aus den 30 Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in deutscher und einer weiteren Sprache.

Quellen, Hinweise und weitere Informationen

(1) „Der Zwang war die Ursache, warum ich jahrelang nur vom Frieden redete. Es war nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch allmählich umzustellen und ihm langsam klarzumachen, daß es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen. Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, daß die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien begann.“
Hitlers Beschreibung der psychologischen Kriegsvorbereitung betrifft natürlich nicht nur außenpolitische Vorgänge. Sie ist der bis heute gleich gebliebene Kern rechter Demagogie und Verhetzung. Institut für Zeitgeschichte München – Berlin: https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1958_2_6_treue.pdf

 

Fotonachweise:

Rechte Hetze und antisemitische Propaganda in der Weimarer Republik: Unknown author, Stab-in-the-back cartoon 1924, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6500187

Gedenkdemonstration anlässlich des ersten Jahrestages des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau in Berlin: IMAGO / snapshot, https://www.imago-images.de/

Wahlplakat der SPD 1932/33: © Deutsches Historisches Museum, www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/pli04768

Die Konsequenz des Vernichtungsdenkens: “Selektion” ungarischer Juden an der Rampe von Auschwitz: © Deutsches Historisches Museum, www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/selektion-an-der-rampe-von-auschwitz-maijuni-1944.html

Germanisches Nationalmuseum, „Straße der Menschenrechte“ in Nürnberg: Ein Kunstwerk des israelischen Bildhauers Dani Karavan: IMAGO / Daniel Schvarcz, www.imago-images.de