Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch

Ein Generalstreik rettet 1920 die junge Weimarer Demokratie. Es ist das erste und bisher einzige Mal in der deutschen und europäischen Geschichte, dass der Widerstand von Millionen Menschen einen rechten Militärputsch scheitern lässt. 13 Jahre später war es schon nicht mehr möglich, durch gemeinsame Aktionen die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu verhindern.

Der Putsch

Der 1919 abgeschlossene Vertrag von Versailles bestimmte die Verkleinerung der Reichswehr auf 100 000 Soldaten sowie die Auflösung und Entwaffnung der Freikorps. Die Bestimmungen des Vertrags traten am 10. Januar 1920 in Kraft.

Große Teile des Offizierskorps der Reichswehr und die Freikorps widersetzen sich der Umsetzung dieser Bestimmungen. Auf Druck der Siegermächte verfügt am 29. Februar das Reichswehrministerium die Auflösung der Brigade Ehrhardt, die mit 6000 Mann und schwerer Bewaffnung die Elitetruppe unter den Freikorps ist. Die Brigade widersetzt sich ihrer Auflösung und putscht stattdessen mit Teilen der Reichswehr unter Führung des Generals von Lüttwitz und weiteren Freikorps gegen die Republik. Als neuer Reichskanzler wird der Abgeordnete Wolfgang Kapp eingesetzt. Da die Führung der Reichswehr sich weigert, der verfassungsmäßigen Regierung zu Hilfe zu kommen, müssen die sozialdemokratischen Mitglieder der Regierung aus Berlin fliehen.

Die Putschisten besetzen zentrale Plätze und Einrichtungen in Berlin

Der Generalstreik

Am 13. März rufen die Gewerkschaften und die Arbeiterparteien zu einem Generalstreik auf. Dieser Generalstreik erfasst am Sonntag, dem 14. März, bereits vollständig Berlin und breitet sich am Montag über die ganze Republik aus. Der Streik führt zur völligen Lahmlegung der öffentlichen Versorgung und nimmt den Putschisten jede Möglichkeit zu regieren. Am 17. März ist der Putsch zu Ende. Die Demokratie ist vorerst gerettet.

Aufruf der Gewerkschaften zum Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch März 1920

Die Putschisten versuchen, den Streik durch Einschüchterung, Verhaftungen und Erschießungen zu brechen. Die vom „Reichskanzler“ Kapp unterzeichnete Verordnung 19 der Putschregierung bestimmt ausdrücklich, dass „Rädelsführer“ und Streikposten mit dem Tode zu bestrafen sind. In einem Telegramm an alle Truppenteile versichert Kapp, dass er Verstöße gegen geltendes Recht „persönlich decken“ würde. Der Chronist Julius Gumbel hat die Morde an 74 Streikenden durch die Putschisten dokumentiert. Dazu kommen wahrscheinlich Hunderte von Morden, die nicht mehr rekonstruierbar sind oder Racheakten nach der Niederschlagung des Putsches entsprangen. Einer diese Racheakte waren die Morde von Mechterstädt.

Die Teilnehmenden am Generalstreik gehen ein hohes persönliches Risiko ein. Genauer: sie riskieren dabei ihr Leben und ihre Freiheit. Sie nehmen dieses Risiko auf sich, weil sie noch in frischer Erinnerung haben, was für sie Krieg und Diktatur bedeuten und weil sie nicht noch einmal den Militärs die Entscheidung über Leben und Tod überlassen wollen.

Die Unterstützer des Putsches in Militär und Verwaltung wurden auf ihren Posten belassen. Von 775 beteiligten Offizieren wurde keiner bestraft. Keiner der Morde durch die Putschisten wurde gesühnt.

Massendemonstration gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch

Quellen, Hinweise und weitere Informationen

Mehr: Emil Julius Gumbel: Vier Jahre politischer Mord

https://www.dgbrechtsschutz.de/aktuelles/uebrigens/uebrigens-single/artikel/vor-100-jahren-ein-generalstreik-ringt-den-kapp-luettwitz-putsch-nieder

 

Fotonachweise:

Die Putschisten besetzen zentrale Plätze und Einrichtungen in Berlin: Bundesarchiv, Bild 183-J0305-0600-003 / CC-BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5434177

Aufruf der Gewerkschaften zum Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch März 1920: selber erstellt, Aufruf der Gewerkschaften zum Generalstreik Flugblatt vom 13. März 1920, CC0 1.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aufruf_der_Gewerkschaften_zum_Generalstreik_Flugblatt_vom_13._M%C3%A4rz_1920.JPG

Massendemonstration gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch: Original photograph uncredited. Scan by Ning-ning., Kapp demo, Original silver gelatine print, postcard-sized, no attribution, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kapp_demo.jpg