Kolonialismus und Kolonialkriege – die Brutstätte der Gewalt

Brutstätte und Vorläufer der Gewaltexzesse und Vernichtungsstrategien im Europa des 20. Jahrhunderts sind der Kolonialismus und die Kolonialkriege. Der Kolonialismus als Herrschaft der Gewalt ist verbunden mit Ausbeutung, rassistischer Enthemmung, der systematischen Missachtung der Menschenrechte und schwersten Kriegsverbrechen mit Hundertausenden von zivilen Opfern.

Koloniale Gewalt

Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt die koloniale Expansion, die das vorher bestehende System küstennaher Stützpunkte zur kolonialen Durchdringung der Welt durch die europäischen Mächte erweitert. Das vorrangige Mittel der Eroberungszüge und der nachfolgenden Sicherung der Herrschaft ist hemmungslos eingesetzte Gewalt. (1)

Deutscher Kolonialherr und rechtlose Untertanen in Togo, ca. 1885

Legitimiert wird die Gewalt durch rassistische und sozialdarwinistische Stereotype. Die Unterworfenen gelten als minderwertig – oft nicht einmal als „richtige“ Menschen – sodass sie keinen Anspruch auf Menschenrechte und den Schutz von Leben und Gesundheit haben. Zugleich gehen die Kolonialherren und ihre Militärs davon aus, sich in einem ständigen existentiellen Kampf mit der einheimischen Bevölkerung zu befinden, in dem sie aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit nur durch Härte und äußerste Brutalität bestehen können. Verbrämt wird die koloniale Ausbeutung und Unterwerfung und die Anwendung brutaler Gewalt häufig durch die rassistische Anmaßung, den „zurückgebliebenen“ außereuropäischen Völkern und insbesondere den Schwarzafrikanern und Schwarzafrikanerinnen die „Zivilisation“ zu bringen und damit letztlich zu deren Wohl zu handeln.

Diese  rassistische Sichtweise wird auch in einer Eingabe deutscher Kolonialisten in Deutsch-Südwestafrika an das Auswärtige Amt deutlich. Dort heißt es:

Für Milde und Nachsicht hat der Eingeborene auf die Dauer kein Verständnis. Er sieht nur Schwäche darin und wird infolgedessen anmaßend und frech gegen den Weißen, dem er doch nun einmal gehorchen lernen muss, denn er steht geistig und moralisch doch so tief unter ihm. (2)

Die koloniale Gewalt zeigt sich in vielen Formen. Die indigene Bevölkerung wird von fruchtbaren Landesteilen vertrieben und in Hunger, Armut und Abhängigkeit von weißen Großgrundbesitzern gebracht. Oft sind die Unterworfenen, die weitgehend rechtlos gestellt sind, zu Zwangsarbeit verpflichtet. Häufig werden dazu Lager eingerichtet, in die Einheimische willkürlich eingesperrt werden. Jede Form des Widerstands oder auch nur der Vorwurf mangelnder Arbeitsleistungen führt in der Regel zu Misshandlungen. Diese reichen von Auspeitschungen über das Abhacken von Körperteilen bis zu demonstrativen Hinrichtungen. Aufstände werden mit überlegener Waffentechnik niedergeschlagen und mit brutalen Vergeltungsaktionen bestraft. Diese richten sich gegen die gesamte Bevölkerung, wobei man Menschen verhungern und verdursten lässt oder ihnen durch das Zerstören der Ernte und das Abbrennen von Feldern die Lebensgrundlagen entzieht. Aufständische werden hingerichtet, sie gelten als Verbrecher und Verbrecherinnen und nicht als Soldaten und Soldatinnen, sodass das humanitäre Völkerrecht wie etwa die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen missachtet werden kann.

Die Kolonialpolitik und besonders die Kolonialkriege tragen in erheblichem Maße zu jener Enthemmung und Brutalisierung bei, die sich in den europäischen Kriegen fortsetzt und besonders im Vernichtungskrieg in dem von Nazideutschland besetzten Osteuropa entlädt. Zugleich vertiefen die Kolonialkriege den grassierenden Rassismus und Sozialdarwinismus und verstärken deren menschenverachtende und auf Vernichtung ausgerichtete Züge.

In den Kolonialkriegen dient die exzessive Gewalt vor allem der Sicherung kolonialer Ausbeutung und Herrschaft. Bald jedoch werden die Nationalsozialisten eine entfesselte und von jeglichen Hemmungen befreite Gewalt auf Menschengruppen ausdehnen, die sie aufgrund ihrer „rassischen“ Eigenschaften systematisch und vollständig vernichten wollen.

Die deutschen Kolonialkriege

Das deutsche Kaiserreich fühlt sich bei der Aufteilung der Welt zu kurz gekommen und um den „Platz an der Sonne“ betrogen. Dennoch hatte Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts flächenmäßig nach England und Frankreich den drittgrößten Kolonialbesitz. Das deutsche Kolonialreich umfasste Gebiete in den heutigen Staaten Burundi, Ruanda, Tansania, Namibia, Kamerun, Togo, Papua-Neuguinea sowie Gebiete in China.

Die deutsche Kolonialpolitik orientiert sich an der Praxis der anderen europäischen Mächte. Ihr Herrschaftsanspruch wird mit Gewalt durchgesetzt. Dies führt immer wieder zu Aufständen der indigenen Bevölkerung, die mit überlegenen militärischen Mitteln niedergeschlagen werden. Den Aufständen folgen Strafaktionen gegen die Bevölkerung: demonstrative Hinrichtungen, Vernichtung der Existenzgrundlagen und Vertreibung in Gegenden, in denen die Verfolgten Hunger, Wassermangel und der Gefahr durch Raubtiere weitgehend schutzlos ausgesetzt sind.

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Maschinengewehrabteilung in Deutsch-Ostafrika

Mit überlegenen Waffen schlagen die deutschen Truppen Aufstände nieder. Danach folgen Strafaktionen und Massaker an der Bevölkerung

Im Jahr 1900 beteiligt sich Deutschland an einer Militär- und Strafaktion in China, dessen Kolonisierung Ende des 19. Jahrhunderts intensiviert wird. Beteiligt an der Kolonisierung des Riesenreiches sind neben Deutschland weitere europäische Mächte, die USA und Japan. Die Kolonialmächte machen sich die inneren Gegensätze im schwachen chinesischen Kaiserreich zu Nutze, fachen religiöse Konflikte an und lösen Hungersnöte aus. Dies führt zu dem sogenannten „Boxeraufstand“, der mit den vereinten militärischen Kräften von acht beteiligten Kolonialmächten niedergeschlagen wird. Deutschland übernimmt das Kommando bei den bald folgenden Strafaktionen, welche die gesamte Bevölkerung treffen und sie vor weiteren Aufständen abschrecken sollen.

Kaiser Wilhelm II. fordert bei der Verabschiedung des nach Ostasien entsandten Expeditionsheeres die Soldaten auf, die Bestimmungen der Genfer Konvention zu missachten und ermuntert sie zu Kriegsverbrechen:

Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! (3)

1905 erhebt sich die indigene Bevölkerung in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, gegen die Kolonialherren. Auslöser des Aufstandes sind die Vertreibung der afrikanischen Bauern und Bäuerinnen von ihrem Land, der Zwang zu unbezahlter Arbeit und die Erhöhung der Kopfsteuer für die Afrikaner und Afrikanerinnen, die mit drakonischen Strafen und dem Einsatz privater Söldner durchgesetzt werden.

Der Maji-Maji Aufstand wird zu einem der größten Kolonialkriege in der Geschichte Afrikas. 1907, nach zwei Jahren, gelingt es dem deutschen Militär und seinen afrikanischen Hilfstruppen, den Aufstand niederzuschlagen. Als Vergeltungsmaßnahme verbrennen deutsche Truppen Felder und Vegetation. Folge der „verbrannten Erde“ sind die Zerstörung der Nahrungs- und Existenzgrundlage der Bevölkerung und langanhaltende Hungersnöte. Insgesamt sterben rund 250 000 Afrikaner und Afrikanerinnen.

1904 beginnt in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, der bis 1908 andauernde Aufstand der Volksgruppen Herero und Nama gegen die deutschen Kolonialherren. Auslöser sind auch hier vor allem Vertreibungen in unfruchtbare Landstriche und die Verpflichtung zu Zwangsarbeit, die mit brutaler Gewalt durchgesetzt werden. Der Aufstand wird niedergeschlagen. Danach rächen sich die Kolonialherren und das Militär an der Zivilbevölkerung. Viele Herero sind aus Angst vor Massakern in die Wüste geflohen. Das Militär riegelt die Wüstengebiete ab, lässt niemanden mehr heraus und vertreibt die Geflüchteten von den wenigen Wasserstellen. Tausende Frauen und Männer, Kinder und Alte verdursten elend. Am Ende überleben nur etwa 15 000 der vorher 80 000 Herero und rund 10 000 der vorher 20 000 Nama den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

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Vernichtungsbefehl des Generals von Trotha vom 2. Oktober 1904

In einem Brief an den Deutschen Generalstab vom 4. Oktober 1904 schreibt von Trotha:
„Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss…. Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes. … Deshalb halte ich es für richtiger, dass die Nation in sich untergeht.“ (4)

Der Mord an Hans Paasche

Hans Paasche war Marineoffizier, der in Deutsch-Ostafrika Dienst tat. 1905 erlebt er bei der Niederwerfung des Maji-Maji Aufstandes die blutige Realität des Kolonialkrieges. Er tötet, brennt Dörfer nieder, nimmt Gefangene und ordnet deren Erschießung an. Während er im Deutschen Reich als öffentlich gefeierter Kriegsheld zur Ikone wird, wachsen seine Zweifel an seiner eigenen Mission sowie an der Kolonialpolitik insgesamt:

Es gab keine Grenze zwischen Notwehr und Mord. […] Scharfmacherei, Mordlust, Mitleidlosigkeit, Gereiztheit regieren. (5)

Hans Paasche, Buchcover

1912 erscheint sein Buch „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland“. Das Buch, das hohe Wellen schlägt, ist ein satirischer Fundamentalangriff auf die rassistische Borniertheit der bürgerlichen und aristokratischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Paasche dreht die koloniale Sichtweise um, indem er einen Afrikaner auf eine Forschungsreise nach Deutschland schickt. Mukara berichtet in seinen Briefen scheinbar naiv, aber mit wachem Blick und scharfem Verstand und demontiert dabei die selbstgerechte Vorstellung einer überlegenen deutschen Zivilisation und Kultur, die durch koloniale Unterwerfung den „zurückgebliebenen“ Afrikanern und Afrikanerinnen gebracht werden müsse. (6)

Paasche scheidet aus dem aktiven Militärdienst aus, hält Vorträge und schreibt Bücher über seine Erfahrungen in Afrika. Er redet und schreibt mit Wertschätzung über die afrikanische Kultur und widerspricht so dem vorherrschenden, auf Ignoranz und rassistischer Überheblichkeit gegründeten Afrikabild.

Paasche wendet sich verzweifelt gegen den drohenden Weltkrieg. Zerrissen zwischen schmerzhaft gewonnenen Erkenntnissen und nationalem Pflichtbewusstsein meldet er sich freiwillig zum Einsatz im Ersten Weltkrieg. Die Erlebnisse an der Front machen ihn endgültig zum überzeugten Pazifisten. Er wird deshalb 1916 aus dem Militär entlassen, agitiert nun offen gegen Krieg und Militarismus und zeigt Sympathien für den Sozialismus. Er wird wegen „Hochverrats“ angeklagt. Sein Verteidiger, der auf geistige Unzurechnungsfähigkeit plädiert, bewahrt ihn vor der Erschießung. Paasche verbringt den Rest des Krieges in einer Berliner Nervenheilanstalt.

Im November 1918 wird Paasche aus der Haft befreit und in das höchste Organ der Novemberrevolution, den Vollzugsrat, gewählt. Dort setzt er sich dafür ein, die Verbrechen der Reichswehr aufzuklären und deren Offiziere zu entlassen.

Nachdem die Rätebewegung gescheitert ist und seine Frau Ellen Opfer der Spanischen Grippe wurde, zieht er sich tief enttäuscht und gebrochen auf sein Landgut zurück.

Am 21. Mai 1920 fällt er einem Mord zum Opfer. Die Zeit für Racheakte gegen „Verräter“ ist günstig. Marodierende Freikorps und Reichswehreinheiten warten nur darauf, ihrer Wut gegen „Bolschewisten“ Taten folgen zu lassen – und sie können sich sicher sein, dafür nicht bestraft zu werden. Hans Paasche wird aufgrund einer Denunziation verdächtigt, Waffen versteckt zu haben und einen kommunistischen Umsturz zu planen. Soldaten der Reichswehr umstellen das Gut Waldfrieden für eine Hausdurchsuchung. Auf Paasche werden mehrere Schüsse abgegeben. Später heißt es, er sei „auf der Flucht“ erschossen worden. Waffenlager und Umsturzpläne werden nie gefunden. Keiner der Mörder wird bestraft.

Kurt Tucholsky: Paasche (1920)

Wieder einer, das ist nun im Reich Gewohnheit schon. Es gilt ihnen gleich. So geht das alle, alle Tage.
Hierzulande löst die soziale Frage ein Leutnant, zehn Mann, Pazifist ist der Hund?
Schießt ihm nicht erst die Knochen wund!
Die Kugel ins Herz! Und die Dienststellen logen: Er hat sich seiner Verhaftung entzogen.
Leitartikel, Dementi. Geschrei. Und in vierzehn Tagen ist alles vorbei.
Wieder einer. Ein müder Mann, der müde über die Deutschen sann.
Den preußischen Geist – er kannte ihn aus dem Heer und aus den Kolonien,
aus der großen Zeit – er mochte nicht mehr.
Er haßte dieses höllische Heer.
Er liebte die Menschen. Er haßte Sergeanten (das taten alle, die beide kannten).
Saß still auf dem Lande und angelte Fische, las ein paar harmlose Zeitungswische…
Spitzelmeldung. Da rücken heran zwei Offiziere und sechzig Mann.
(Tapfer sind sie immer gewesen, das kann man schon bei Herrn Schäfer lesen.)
Das Opfer im Badeanzug… Schuß. In den Dreck. Wieder son Bolschewiste weg –!
Verbeugung, Kommandos, hart und knapp. Dann rückt die Heldengarde ab.
Ein toter Mann. Ein Stiller, ein Reiner. Wieder einer. Wieder einer. (7)

Die “Marburger Jäger” – ein Spiegel der Gewalt

Anders als Hans Paasche befällt die Marburger Jäger kein Zweifel an ihrem Tun. Noch ein Jahrhundert später sieht der Traditionsverein der Marburger Jäger in der Geschichte des Jägerbataillons ein „Beispiel für großartiges Soldatentum“.

Das kurhessische Jäger-Bataillon Nr. 11 ist seit 1866 in Marburg stationiert. Jägerbataillone sind privilegierte militärische Einheiten für besondere Aufgaben.

Kolonialkrieg im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika: gefangene Herero, in Ketten gelegt.

Soldaten und Offiziere der Marburger Jäger melden sich freiwillig zum Einsatz in den Kolonialkriegen. Dort sind sie an der Niederwerfung der Aufstände in China und den folgenden Bestrafungsaktionen ebenso beteiligt wie am Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Das Jäger-Bataillon zeigt sich „stolz“ auf seine Angehörigen.

Auch über die Kolonialkriege hinaus ist die Geschichte des Bataillons ein Spiegel der Gewalt. Verrohung, Menschenverachtung und Enthemmung sind allgegenwärtig und überschreiten Grenzen und Kontinente.

1870/71 ist das Bataillon am Krieg gegen Frankreich beteiligt. Nach dem Sieg helfen die Marburger Jäger den französischen Regierungstruppen, die Pariser Kommune niederzuschlagen. (8) Die Marburger Soldaten schießen dabei auf Fliehende bzw. hindern sie an der Flucht. Bei den der Niederschlagung des Aufstands folgenden Massakern werden 30 000 Menschen getötet.

Im August 1914 beginnt das deutsche Militär den Ersten Weltkrieg mit einem Angriff auf das neutrale Belgien. Das Marburger Jäger-Bataillon Nr. 11 nimmt an Kriegsverbrechen teil, die den Widerstand der belgischen Zivilbevölkerung gegen die Besatzer brechen sollen. In der Kleinstadt Dinant sterben insgesamt 674 Zivilisten und Zivilistinnen durch „Strafaktionen“, Geiselerschießungen und ähnliche Willkürakte. (9)

Nach dem Ersten Weltkrieg meldet sich das Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 11 freiwillig nach Oberschlesien, um dort Spartakisten und polnische Nationalisten zu bekämpfen. Dabei werden gewerkschaftlich organisierte Arbeiter und Arbeiterinnen mit aller Härte bekämpft. Bei einer Massendemonstration für gerechtere Löhne in Königshütte feuern am Nachmittag des 3. Januar 1919 die Reservejäger mit einem Maschinengewehr in die andrängende Menge und richten ein Blutbad mit 20 Toten an.

Die Jäger-Bataillone werden 1919 aufgelöst. Ehemalige Offiziere und Soldaten des Bataillons bilden Traditionsvereine, die das Klima für die nationalsozialistische Machtergreifung in Marburg vorbereiten. Viele schließen sich der örtlichen SA an, die sich ab Juli 1933 offiziell SA-Standarte Jäger 11 nennt. Im Gleichschritt mit den braunen Kämpfern des Dritten Reiches beteiligen sie sich am Terror gegen Juden und Jüdinnen und politische Gegner und Gegnerinnen. (10)

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Nationaldenkmal in Windhoek, Namibia

Späte Anerkennung des Völkermordes

Es dauerte fast ein Jahrhundert bis in Deutschland begonnen wurde, die Gräuel der Kolonialkriege aufzuarbeiten. Inzwischen hat auch die Bundesregierung den Völkermord an den Herero und Nama anerkannt. Deutschland ist nach langen Verhandlungen bereit, 1,1 Milliarden Euro an Wiederaufbauhilfe zu zahlen, erkennt aber eine rechtliche Verpflichtung zur Entschädigung der Nachkommen nicht an.

 

Die Ausführungen zu den Marburger Jägern stützen sich auf die Recherchen der Marburger Geschichtswerkstatt. Diesen Recherchen sind auch die Zitate entnommen. Die gesamte Recherche über die Marburger Jäger findet sich unter: www.geschichtswerkstatt-marburg.de/projekte/mr-jaeger.php

Quellen, Hinweise und weitere Informationen

(1) Einen Überblick zur kolonialen Gewalt gibt: www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/postkolonialismus-und-globalgeschichte/219134/koloniale-gewalt-und-kolonialkrieg

(2) Volker Ulrich: „… deutsches Blut zu rächen“, www.zeit.de/zeitlaeufte/herero

(3) Die sogenannte Hunnenrede des Kaisers Wilhelm II. befindet sich in mehreren Archiven. Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Hunnenrede. Die zentralen Sätze, mit denen der Oberbefehlshaber der deutschen Armee deren Angehörige zu völkerrechtswidrigem Verhalten auffordert, lauten: „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“

(4) Im Brief an den Deutschen Generalstab schreibt der kommandierende General in Deutsch-Südwestafrika von Trotha: „Es fragte sich nun für mich nur, wie ist der Krieg mit den Herero zu beendigen. Die Ansichten darüber bei dem Gouverneur und einigen „alten Afrikanern“ einerseits und mir andererseits gehen gänzlich auseinander. Erstere wollten schon lange verhandeln und bezeichnen die Nation der Herero als notwendiges Arbeitsmaterial für die zukünftige Verwendung des Landes. Ich bin gänzlich anderer Ansicht. Ich glaube, daß die Nation als solche vernichtet werden muß… Andererseits ist die Aufnahme der Weiber und Kinder, die beide zum größten Teil krank sind, eine eminente Gefahr für die Truppe, sie jedoch zu verpflegen eine Unmöglichkeit. Deshalb halte ich es für richtiger, daß die Nation in sich untergeht, und nicht noch unsere Soldaten infiziert und an Wasser und Nahrungsmitteln beeinträchtigt. Außerdem würde irgendeine Milde von meiner Seite von seiten der Herero nur als Schwäche aufgefaßt werden. Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes, den ich schon 1897 in meinem Bericht an den Reichskanzler für Ostafrika vorausgesagt habe.“ Zit. nach Horst Drechsler: Aufstände in Südwestafrika. Der Kampf der Herero und Nama 1904 bis 1907 gegen die deutsche Kolonialherrschaft, Berlin 1984, S.86f

(5) Paasche, Hans (1919): Meine Mitschuld am Weltkriege [= Flugschriften des Bundes Neues Vaterland, Nr. 6], S. 10 zit. nach: https://zeitgeschichte-online.de/geschichtskultur/und-wieder-einer

(6) Eine Lesung des Buches „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland“ findet sich unter: www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiotexte/lukanga-mukaras-forschungsreise-durch-deutschland-100.html

(7) Mehr: https://zeitgeschichte-online.de/geschichtskultur/und-wieder-einer

(8) Die Pariser Kommune war eine sozialreformerische und teils sozialrevolutionäre Erhebung, die die Lebensbedingungen der unteren Schichten verbessern und die Monarchie durch eine Republik ersetzen wollte.

(9) Nach dem Krieg verlangte die belgische Regierung vergebens die Auslieferung des als Kriegsverbrecher verurteilten Kommandeurs Max Graf von Soden. Stattdessen beauftragte die Reichsregierung das deutsche Reichsgericht, den Vorwürfen nachzugehen. Die Reichsanwaltschaft ermittelte allerdings nur halbherzig und stellte bald das Verfahren ein, sodass von Soden als entlastet galt.
Die Bundesregierung erkannte 2001 die Verbrechen an und entschuldigte sich bei den Nachkommen der Opfer. Die Kriegsverbrechen seien nach 1918 aufgrund der damaligen „nationalistischen Verblendung“ abgestritten worden.

(10) Siehe dazu: Marburger Geschichtswerkstatt: Zur Geschichte und Nachgeschichte der „Marburger Jäger“, www.marburg.de/downloads/datei/OTAwMDA4MDI0Oy07L3d3dy92aHRkb2NzL21hcmJ1cmcvbWFyYnVyZy9tZWRpZW4vZG9rdW1lbnRlL2FhYV9nZXNjaGljaHRzd2, S.103 f

 

Fotonachweise:

Deutscher Kolonialherr und rechtlose Untertanen in Togo, ca. 1885: Unknown author, German colonial lord, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2562913

Maschinengewehrabteilung in Deutsch-Ostafrika: Mit überlegenen Waffen schlagen die deutschen Truppen Aufstände nieder. Danach folgen Strafaktionen und Massaker an der Bevölkerung: Bundesarchiv, Bild 105-DOA0151 / Walther Dobbertin / CC-BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5481565

Vernichtungsbefehl des Generals von Trotha: Anonym, VonTrothaVernichtungsbefehl, J.B. Gewald: The great General of the Kaiser, In: Botswana notes and records, vol. 26, 1994, S.72, gemeinfrei, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:VonTrothaVernichtungsbefehl.jpg

Hans Paasche, Buchcover: Photographer not credited, Hans Paasche – Die Briefe des Negers Lukanga Mukara, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76790349

Kolonialkrieg im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika: gefangene Herero, in Ketten gelegt: Unknown author, Herero chained, Quelle: Ullstein Bilderdienst, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Herero_chained.jpg

Nationaldenkmal in Windhoek, Namibia: Pemba.mpimaji, Genozid-Denkmal vor der Alten Feste in Windhoek5, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54308729